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Aus dem Stadtrat 14.09.2020: Neubau Obdachlosenunterkunft – CDU sieht Führungsversagen in der Kreisverwaltung

Förderantrag der Stadt nicht weitergeleitet und unsägliches Pingpong-Spiel der Ministerien

Heftige Diskussion im Stadtrat zu einem äußerst brisanten Thema: dem Neubau der Obdachlosenunterkunft.

Für die CDU-Stadtratsfraktion ist das Handeln der Kreisverwaltung nahezu skandalträchtig.
Die SPD-Stadtratsfraktion spielt das für sie äußerst unangenehme und brisante Thema erwartungsgemäß herunter und steckt doch – wie die Kreisverwaltung – mittendrin!
Graphik: eigene DarstellungGraphik: eigene Darstellung
Was war passiert?
Seit 2017 steht der Neubau einer Obdachlosenunterkunft auf der Wunschliste der Stadt. Seitdem das alte Obdachlosenheim am Herdry einem Brand zum Opfer gefallen war, wurde in den städtischen Gremien über einen Neubau beraten und dieser auch beschlossen.

Den kompletten Verlauf des Förderantragverfahrens können Sie unten nachlesen.

Die Kurzfassung: das Innenministerium sieht die Zuständigkeit beim Sozialministerium und umgekehrt. Seit 2017 dreht sich die Thematik im Kreis.

Und mittendrin: Die Kreisverwaltung um Landrat Heiko Sippel, Kreisbeigeordneten und Stadtrat Steffen Jung.

Warum?

Da entscheidet ein Sachbearbeiter der Kreisverwaltung eigenmächtig, einen in 2019 fristgerecht eingegangenen und in der Sache äußerst wichtigen Förderantrag der Stadt einfach nicht an die zuständige übergeordnete Stelle weiterzugeben. Und das erfährt die Stadtverwaltung erst nach vehementem Nachfragen – 1 Jahr später!

Auf ein entsprechend verärgertes Schreiben des Bürgermeisters an den Landrat antwortete Landrat Sippel nur lückenhaft und teils auch mit einer unkorrekten Behauptung gegenüber dem Bürgermeister, wie dieser dem Stadtrat mitteilte.
Der Landrat behauptet in seinem Antwortschreiben, dass der Bürgermeister selbst in einer E-mail bestätigte, dass die Einschätzung der ADD richtig sei, dass das Sozialministerium der richtige Ansprechpartner für den Förderantrag sei.
Wie der Bürgermeister dem Stadtrat mitteilte, ist diese Behauptung nicht korrekt, weshalb die Stadtverwaltung den Förderantrag ja auch in 2019 bewusst wieder an die ADD gerichtet habe. Wie bereits in 2017.

Seitens der CDU erweckt sich der Eindruck, dass die Kreisverwaltung hier versucht, Nebelkerzen zu werfen, um damit dem Stadtrat Glauben zu machen, die Stadtverwaltung trüge die Schuld.  

Das schreit für die CDU nach exorbitantem Führungsversagen in der Kreisverwaltung!

Wenn der Landrat über so wesentliche Dinge nicht informiert ist oder nicht reagiert, ist das ein schwaches Bild. Noch verheerender wäre es, wenn der Landrat mitentschieden hätte, den Antrag nicht weiterzuleiten, ohne die Stadt dann umgehend zu informieren und gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
Die Tatsache, dass sowohl Landrat a.D. Ernst-Walter Görisch als auch der Leiter der Kommunalaufsicht zwischenzeitlich in Pension gegangen und somit nunmehr aus der Verantwortung sind, macht die Situation nicht besser.

Der jetzige Landrat Sippel war als Landtagsabgeordneter schon lange mit der Sache betraut und auch sicherlich bestens informiert. „Welpenschutz“ kann hier seit seinem Amtsantritt nicht mehr gelten. Als Landrat trägt er die Verantwortung für die Geschehnisse seiner Verwaltungsmitarbeiter.

Auch der ehemalige zuständige städtische Beigeordnete und heutige Erste ehrenamtliche Kreisbeigeordnete Steffen Jung (SPD) - nach wie vor im  Stadtrat - war voll in die Thematik involviert, zumal das Thema Obdachlosenunterkunft immer wieder Thema im Stadtrat und Ausschüssen war.
Im Stadtrat jedoch wusch er sich in Unschuld und verwies darauf, dass er als Kreisbeigeordneter keinen eigenen Geschäftsbereich bekleidet.

Ist diese Aussage glaubhaft, wenn man bedenkt, dass er sicherlich im engen Austausch mit dem Landrat steht und die unangenehme Thematik sicherlich auch Thema innerhalb der Alzeyer SPD war?
Wollte man das Versäumnis der Kreisverwaltung bzw. die Fehleinschätzung des Sachbearbeiters also einfach nur nicht an die große Glocke hängen, weil es dadurch äußerst unangenehme Folgen für die eigene Partei haben könnte?

Und wieso wurden nicht alle Fragen aus dem Schreiben des Bürgermeisters an die Kreisverwaltung entsprechend umfangreich beantwortet? Hätte die Stadtverwaltung bei einer schriftlichen Anfrage ebenso ungenau und lückenbehaftet geantwortet, wäre sie mit Sicherheit mit großer Kritik überhäuft worden.

Dass jetzt im Schreiben des Landrates angeboten wird, ein gemeinsames Schreiben aufzusetzen, um den Sachverhalt letztendlich zu klären, bildet für die CDU nur ein Feigenblatt, um von den bisherigen Versäumnissen abzulenken! Dieser gemeinsame Klärungsansatz hätte schon längst erfolgen müssen.

Es stellt sich also die Frage: wie konnte so etwas geschehen und wieso wurde nicht reagiert? Ginge es hier nur um ein kleines unwichtiges Projekt, wäre es einfach nur ärgerlich, würde aber auch ein entsprechendes Bild der Führungsverantwortlichen aufzeigen. Hier aber, bei einem für die Stadt so wichtigen Projekt der Obdachlosenunterkunft, ist das Versagen der Kreisverwaltung nicht nur ein Nackenschlag für die Stadt, sondern vor allem für alle die Menschen, für die die Unterkunft gedacht ist, um Obdach zu bieten.

Für die CDU ist klar, dass Herr Landrat Sippel und Herr Kreisbeigeordneter und Stadtrat Jung hier in der Verantwortung stehen. Wie soll der Schaden, der hierdurch der Stadt ggf. entstanden ist, wieder gutgemacht werden? Aus finanzieller Sicht durch die vertane Fördermöglichkeit, auch aber aus menschlicher Sicht und damit das weitere Warten auf eine Unterkunft.

Dass die SPD-Stadtratsfraktion der CDU nunmehr Parteipolitik vorwirft, mag aus ihrer Sicht nur nachvollziehbar sein, um damit ein Ablenkungsmanöver gegenüber der äußerst brisanten Sachlage zu fahren.
Doch auf wessen Rücken? Auf dem Rücken derjenigen, für die der Neubau der Obdachlosenunterkunft äußerst wichtig wäre. Nunmehr muss die Stadt die Kosten für den Neubau komplett selbst tragen, denn ein erneuter Förderantrag würde wieder nur einen enormen Zeitverzug bedeuten.

Zur umfangreichen Historie:
Für die Stadt stand außer Frage, dass man für den Neubau der Obdachlosenunterkunft einen Förderantrag aus dem I-Stock bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) stellt, da es sich um eine Hilfe für Obdachlose nach dem Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) handelt. Hierbei wäre das Innenministerium für den Förderbescheid zuständig.
•    Mit der ersten Anfrage beim Innenministerium im Februar 2017 beginnt das unsägliche  Pingpong-Spiel zwischen den Ministerien: das Innenministerium sieht sich als unzuständig und verweist an das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie (Sozialministerium). Dort sei ein Förderantrag einzureichen.
•    Dies wurde seitens der Stadtverwaltung im April 2017 getan.
•    Im Mai dann folgt die Ablehnung des Antrages durch das Sozialministerium. Begründung: das Innenministerium ist zuständig und der Antrag muss entsprechend an die ADD gerichtet werden.
•    Die Stadtverwaltung reicht einen formlosen Antrag über die Kreisverwaltung im Mai bei der ADD ein. Mit dem Hinweis, dass das Sozialministerium den Antrag bereits wegen Unzuständigkeit abgelehnt habe.
•    Im September erfolgt eine Sachstandsanfrage bei der Kreisverwaltung mit der Information, dass die ADD mitgeteilt habe, dass das Sozialministerium zuständig sei.
•    Der städtische Beigeordnete Jung reicht im Oktober 2017 den förmlichen Förderantrag über die Kreisverwaltung bei der ADD ein.
•    Im August 2018 besprechen Bürgermeister Burkhard und der seinerzeitige Landtagsabgeordnete Sippel die Sachlage mit dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung und erhalten wiederum die Antwort, dass eine erneute Prüfung der Förderfähigkeit erfolgt.
•    Im September dann erhält die Stadt über die Kreisverwaltung den von der ADD abgelehnten Förderantrag zurück. Der Ablehnungsgrund der ADD ist jedoch nicht ersichtlich und auf Nachfrage erfährt die Stadtverwaltung, dass aus Sicht der ADD wieder einmal das Sozialministerium zuständig sei.
Diese Info wird u.a. auch an MdL Sippel weitergeleitet.
•    Im Oktober 2018 äußert das Sozialministerium erneut seine Unzuständigkeit und verweist auf die Zuständigkeit der ADD, da es sich um einen POG-Thematik handele (was die Stadtverwaltung schon von Anfang in ihrer Begründung aufführte).
•    Im November entscheidet der städtische Ausschuss (ZDF), einen erneuten Förderantrag an die ADD zu richten, der im September 2019 an die Kreisverwaltung zur Weiterleitung an die ADD gegeben wird.
•    Im September 2020 erhält die Stadtverwaltung auf mehrfaches Nachfragen von der Kreisverwaltung die Antwort, dass der fristgerecht eingereichte Antrag der Stadt die Kreisverwaltung überhaupt nicht verlassen hat. Der Sachbearbeiter der Kreisverwaltung hatte eigenmächtig entschieden, diesen Förderantrag nicht an die ADD weiterzuleiten. Eine umgehende Information der Stadtverwaltung oder eine zielorientiere Lösungssuche gemeinsam mit der Stadtverwaltung erfolgte nicht.

Ihnen wird schwindelig ob dieses Zuständigkeitswirrwarrs und des Pingpong-Spieles der Ministerien?
Uns auch!

Jedes Ministerium schiebt die Zuständigkeit von sich auf andere. Und was tut die Kreisverwaltung? Sie leitet den Antrag erst gar nicht weiter, gibt diese Information nicht an die Stadtverwaltung und ist somit mitverantwortlich dafür, dass die Stadt die kompletten Baukosten alleine tragen muss.

zum Nachlesen beigefügt sind das Schreiben des Bürgermeisters an den Landrat sowie dessen Antwortschreiben.